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Achtung Buzzword: UX

Vor kurzem stand ich wieder einmal vor einem der Sammelbehälter, die in den SBB-Bahnhöfen aufgestellt sind. Die Behälter sind für das Prinzip der Abfalltrennung konzipiert. Die Schlüsselfrage lautet: Welcher Abfall gehört in welchen Behälter?

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Quelle: tageswoche.ch

Diese Frage wurde auf dem Behälter durch eine entsprechende Beschriftung beantwortet. Nun ist aber – wie auf dem Bild zu sehen ist – nicht nur eine textliche Beschriftung zur Anwendung gekommen, sondern auch eine bildliche und ikonische noch dazu. Ich rätsle heute noch, ob dies bewusst so entwickelt wurde, um jeglichen Zweifel darüber, welcher Abfall nun in welchen Behälter gehört, auszuräumen.

Ich glaube mich zu erinnern, dass die ersten Behälter noch keine Textplaketten hatten – und danach sieht die Komposition der Auszeichnungstypen auch aus. Und wenn dem tatsächlich so ist, ist dies nur ein weiteres Indiz für die Tatsache, dass wir es bei diesen Abfallbehältern mit einem klassischen UX-Fall zu tun haben: Wie konzipiere und visualisiere ich ein Objekt oder eine Anwendung, um das Resultat für die Benutzerinnen und Benutzer sinnvoll nutzbar zu machen?

Als Informations-Architekt beschäftige ich mich mit genau diesen Fragen. Und wie das Beispiel der SBB-Abfallbehälter suggeriert, sind die Antworten darauf nicht immer trivial, auch wenn der Anwendungsfall dies suggeriert. Bei den Abfallbehältern wurden gleich drei Arten von Codierungen verwendet: Schrift, Icons und Fotobilder. Von den ästhetischen Aspekten einmal abgesehen, frage ich mich, ob man in diesem Fall auch eine einfachere, intuitivere Lösung hätte finden können. Und damit stehen wir nämlich schon mitten im Thema.

«UX» oder ausgesprochen «User Experience» ist aktuell ein sehr populär verwendeter Begriff. Das lässt sich schon daher ableiten, dass der Begriff vermehrt in Kreise vorstösst, die sich bisher kaum Gedanken dazu gemacht haben. Dabei ist UX kein neues Thema, sondern in Fachkreisen schon seit vielen Jahren auf der Agenda. Zudem ist UX nicht erst mit der Digitalisierung in Erscheinung getreten. Eine Vorreiterrolle hat diesbezüglich das Industriedesign übernommen. Stellen Sie sich vor, Sie haben die folgende Wahl: Ein bequemes aber hässliches Sofa, ein unbequemes aber schönes Sofa oder ein bequemes und schönes Sofa im gleichen Preissegment. Für welches entscheiden Sie sich? Diese rhetorische Frage wird, übersetzt in digitale Anwendungen, leider oft nicht gestellt.

Nun dringen Erkenntnisse aus den klassischen Design-Schulen in die digitale Welt vor. Ein sinnvoller und dringend notwendiger Vorgang. Digitale Anwendungen werden allmählich erwachsen. Auch wenn wir wohl erst am Anfang neuer Arten der kommunikativen Interaktion stehen. Und wenn in der Vergangenheit viele Kunden kaum die Bedeutung von UX erkannt haben, so darf man sich fragen, ob es auf Seiten der Dienstleistenden einfach nicht gelungen ist, die Bedeutung klar zu machen.

Ich wage eine eigene Begriffsdefinition von UX:

User Experience ist der kognitive Differenzierungsvorgang, in welchem der Anwender oder die Anwenderin zwischen guten und schlechten Anwendungen unterscheidet.

Wer sich die Tragweite dieser Aussage vor Augen führt, versteht, weshalb in den letzten Jahren neue Berufsfelder wie Screendesigner oder UX Konzepterin entstanden sind. Dennoch ist UX auch ein sagenumwobener Begriff geblieben, der scheinbar viel Interpretationsspielraum offen lässt. Kundinnen und Kunden sowie Dienstleistende unterhalten sich manchmal darüber als rede man vom Wetter. Dahinter verbirgt sich zwar eine Wissenschaft, aber die lässt mit ihren Modellen und fehleranfälligen Prognosen auch genügend Raum, um sich zum Pseudo-Experten zu stilisieren. Und oft mengt sich dann zu allem Übel noch das Thema Geschmack.

Aber UX hat nichts mit Geschmack zu tun, sondern ist sie eine faktengetriebene Disziplin. Visual Designer mögen mir diesen Satz verzeihen: «Wie hübsch eine Webseite daherkommt, spielt eine Rolle, aber eben auch nicht mehr.» Auf einer Ebene zum Visual Design stehen Aspekte wie Informationsarchitektur, Verhaltenspsychologie, Business Prozesse und vieles mehr.

Wer seine Geschäftszweige in die digitale Welt ausweiten will, wird nicht um das Thema UX herumkommen. Auch wird man keinen Erfolg haben, wenn man seine Mechanismen nicht versteht und diese sind – wie oben bereits erwähnt – eben nicht nur auf das Visual Design beschränkt.

In den kommenden Wochen werden wir auf dem Arcmedia Blog tiefer in das Thema eintauchen. Ich freue mich auf kritische Feedbacks und Kommentare.

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